Kein Geschäftsjahr ist wie das andere: mal sind große Investitionen zu stemmen, mal sind die Kunden sehr zurückhaltend, dann wieder „rennen“ sie einem die Tür ein. Das führt zu Schwankungen im Gewinn. Liefert ein Jahr besonders gute oder schlechte Zahlen, kann es aber auch daran liegen, dass sich die Einnahmen und Ausgaben für denselben Geschäftsvorfall auf unterschiedliche Jahre verteilen – wenn man zum Beispiel das Material für einen Großauftrag noch im alten Jahr kauft, der Kunde aber erst im neuen Jahr zahlt.
Als Selbstständiger erlebt man dieses Phänomen immer wieder. Ist man Einzelunternehmer mit einem Jahresumsatz unter 600.000 Euro oder einem Jahresgewinn unter 60.000 Euro, gilt das „Zufluss-Abfluss“-Prinzip: Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung richtet sich nur nach den Bewegungen auf dem Geschäftskonto/der Kasse im jeweiligen Kalenderjahr – auch wenn z.B. die Leistung in einer Periode, die Zahlungen hierfür in unterschiedlichen Perioden erfolgt sind. Ganz anders ist das z.B. bei Personen und Kapitalgesellschaften, die zur Bilanzierung verpflichtet sind. Hier müssen alle Zahlungsflüsse, unabhängig vom tatsächlichen Zeitpunkt der Zahlung, in Form von Aufwendungen und Erträge der „richtigen“ Rechnungsperiode zugeordnet werden. Dabei kann es auch sein, dass eine Zahlung auf unterschiedliche Rechnungsperioden aufgeteilt werden muss. Diesen Vorgang nennt man Rechnungsabgrenzung.
Aktive und passive Rechnungsabgrenzung
Grundsätzlich ist zwischen aktiver Rechnungsabgrenzung (ARA) und passiver Rechnungsabgrenzung (PRA) zu unterscheiden. Zunächst ein Blick auf die aktive Variante: Hier geht es beispielsweise um Zahlungen für eine Leistung, die vom Empfänger der Zahlung erst in einer kommenden Rechnungsperiode erbracht werden. Zunächst gilt es zu ermitteln, wie hoch der Betrag ist, der eigentlich in die künftige Rechnungsperiode gehört. Dieser wird in der Bilanz auf einen gesonderten aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (ARAP) gebucht, der im folgenden Rechnungszeitraum wieder aufzulösen ist. Die passive Rechnungsabgrenzung bezieht sich umgekehrt auf bereits erhaltene Zahlungen von Kunden, für die aber erst in einer zukünftigen Rechnungsperiode die Leistung erbracht wird. Der entsprechende Betrag oder Teilbetrag wird auch hier wieder gesondert verbucht – diesmal als passiver Rechnungsabgrenzungsposten (PRAP). Auch diese Posten sind in Folgeperiode(n) in der Bilanz wieder aufzulösen.
Antizipativ oder transitorisch?
In den oben geschilderten Situationen ist jeweils in der früheren Rechnungsperiode eine Zahlung (gleich ob Ausgabe oder Einnahme) erfolgt, der ganz oder zum Teil erst in einer oder mehreren Folgeperiode(n) eine Leistung gegenübersteht. Diese Art der Rechnungsabgrenzung nennt man transitorisch. Es geht aber auch umgekehrt: Die Leistung kann im alten Geschäftszeitraum erbracht worden sein, die Zahlung erfolgt aber erst in der späteren Rechnungsperiode. Auch in diesem Fall ist eine Rechnungsabgrenzung vorzunehmen – sie heißt in diesem Fall „antizipativ“. Der Leistungserbringer ist in dieser Phase quasi „in Erwartung“ einer Zahlung. Auch wenn sie auf dem Konto noch nicht gutgeschrieben wurde, erscheint sie bereits in der Buchhaltung als antizipativer Rechnungsabgrenzungsposten.
All diese, teils aufwändigen Buchungsvorgänge dienen letztlich dazu, dass der wirtschaftliche Erfolg den Geschäftsjahren periodengerecht zugeordnet wird. Der Jahresabschluss mit dem ausgewiesenen Jahresergebnis ist dann nicht vom Zufall abhängig, ob eine größere Zahlung vor oder nach dem Bilanzstichtag eingegangen oder abgeflossen ist, sondern wird eindeutig einer erbrachten oder erhaltenen Leistung zugeordnet. Die Rechnungsabgrenzung ermittelt also ein periodengerechtes Geschäftsergebnis, als es ohne diese Systematik möglich wäre. Infolgedessen ist dann auch die vom Finanzamt festgesetzte Steuer enger mit dem tatsächlichen Geschäftserfolg eines Unternehmens verknüpft als mit den bloßen Bewegungen auf dem Geschäftskonto.